Klingende Musiksammlung
Die Missa VI von P. Ambrosius Stierlin (1767-1806)
Wir schreiben das Jahr 1798: französische Revolutionstruppen fallen in das kleine Benediktinerkloster Mariastein südlich von Basel ein, besetzen und plündern es, die Helvetische Republik wird errichtet, das Kloster aufgehoben. P. Ambros Stierlin ist zu diesem Zeitpunkt einunddreißig Jahre alt, vor neun Jahren ist er in das Kloster eingetreten. Er lehrt als Professor für Philosophie und Theologie an der hauseigenen Schule, vor allem aber prägt er das musikalische Leben im Kloster. Gerade einmal elf Jahre jünger als Wolfgang Amadeus Mozart, kommt es durch ihn zu einer außergewöhnlich frühen Rezeption der Musik Haydns und Mozarts in Mariastein. Doch er komponiert auch selbst; 106 Werke sind in einem Katalog aufgeführt, der zehn Jahre nach seinem Tod entstehen wird. Wie seine Mitbrüder muss er das Kloster verlassen und es dauert sechs Jahre, bis P. Ambros 1804 wieder nach Mariastein zurückkehrt, um die Leitung der im Pilgerwirtshaus eröffneten Schule für Kinder der Umgebung zu übernehmen. Doch diese Rückkehr ist von kurzer Dauer, schon zwei Jahre später stirbt P. Ambros im Jahr 1806, er wird keine vierzig Jahre alt.
In den Jahren 2021 und 2022 gedenkt das Benediktinerkloster Mariastein der fünfzig Jahre zurückliegenden Rückgabe und staatsrechtlichen Wiederherstellung des Klosters. Seit einem halben Jahrhundert sind die Mönche von Mariastein also wieder zurück an jenem Ort, den sie durch ihr geistliches Leben seit Jahrhunderten prägen. Aus diesem Anlass findet am 19. Juni 2022 ein feierlicher Gedenkgottesdienst statt, bei dem das Ensemble ad·petram die neu edierte Missa VI in D-Dur von P. Ambros Stierlin zur Aufführung bringen wird. Denn welche Musik wäre für dieses Ereignis passender als jene von P. Ambros, der sein Leben in einer Zeit voller Wirren und unter widrigen Umständen in den Dienst dieser Gemeinschaft stellte, und dem es dennoch gelang, so fruchtbar zu wirken?